Smiling Gecko Schule und Kindergarten
IMMER AUF DIE LEHRER HÖREN!


«Die Kinder kommen aus zwei Gründen jeden Tag zu uns in die Schule: Weil sie gerne lernen und weil sie hier die Liebe bekommen, die ihnen zu Hause von ihren Eltern oft nicht entgegengebracht werden kann.»
«Zuhause erhalten die Kinder keine Wärme. Sie werden nicht in den Arm genommen oder ähnliches. Darum ist für die Schule so wichtig. Hier erhalten sie das, was ihnen fehlt.»

Das habe ich doch so ähnlich schon von Susan gehört. Ich hake nach und erhalte ein Beispiel. Amy erzählt von einer Begebenheit, bei der sie ein Kind gefragt hat, ob es von den Eltern hören würde, dass sie es liebhaben. Das Kind hätte nur verlegen lächeln können. Andere wurden deutlicher: Sie geben gegenüber der Lehrerin offen zu, das familiäre Fürsorge und Liebe nicht existent sind.
Krass. Aber damit wir uns richtig verstehen: Weder Amy noch Susan machen den Eltern einen Vorwurf. Sie beschreiben einfach nur die Realität und ihren Alltag.
Ich bin dankbar für diese Einsichten. Denn, wer wie ich, die Kinder bei einem Besuch auf dem Smiling Gecko Campus nur aus der Distanz über den Schulhof tollen sieht, bekommt definitiv nicht das richtige Bild. Apropos Campus: Ich frage Amy nach ihrer Meinung, in wie weit der Campus mit seinen verschiedenen Ausbildungsstätten den Kindern helfen wird, wenn es eines Tages um die eigene Berufswahl geht. Er hilft sehr, findet Amy. Sie sagt, Kinder, die neu zu uns kommen, wollen eigentlich alle in der Fabrik arbeiten – so wie es andere Mitglieder in ihren Familien tun. Sie wollen Farmer werden und vielleicht maximal noch Coiffeurinnen oder Coiffeure. Weil das nun mal die Berufe sind, die sie aus ihrem wahnsinnig eingeschränkten Umfeld kennen. Amy sieht es als ihre Aufgabe, den Horizont der Kinder zu erweitern. Ihnen eine Welt zu eröffnen, sie zu inspirieren. Und das schein zu klappen! Plötzlich wollen die gleichen Kinder zum Beispiel Krankenschwestern werden oder Polizisten. Und warum dürfen Kinder nicht auch in Kambodscha davon träumen, Sängerin oder Fußball-Profi zu werden? Die Träume gibt es. Ich selbst habe sie gehört, als ich mich mit einigen Jungen und Mädchen aus der 6. Klasse unterhalten habe. Was übrigens problemlos auf Englisch geht. Auch dazu habe ich mit Amy gesprochen und sie gleichzeitig mit dem Vorwurf konfrontiert, es gäbe immer wieder Bemerkungen aus Europa, unsere Schule wäre zu teuer.
Ihre Meinung dazu: «Die Herausforderung ist, dass wir eben nicht in ein Business investieren, wo man das Ergebnis schnell sieht, sondern in unsere Kinder. Das braucht Zeit. Aber wir sind bereits in der 6. Klasse und in wenigen Jahren werden wir wissen: Unsere Schule ist nicht zu teuer. Weil wir in eine Ausbildung investiert haben, mit der aus vollständig unterprivilegierten Kindern grossartige Erwachsene mit besten Berufsaussichten werden.» Dazu gehört für Amy auch der zweisprachige Ansatz aus Khmer und Englisch, ohne den unsere Kinder nicht die gleich guten Chance auf eine erfolgreiche Zukunft hätten. Sie ist davon überzeugt: Die Globalisierung macht auch vor Kambodscha keinen Halt. Englisch ist die Vorrausetzung für eine Chancengleichheit. Und dabei geht es für sie im Unterricht nicht darum, irgendwelche Vokabeln auswendig zu pauken oder nur die Grammatik zu lernen, sondern um die Anwendung der Sprache. Die Kinder sollen die Sprache verstehen, nicht nur sprechen.
Ein starkes Statement einer wirklich eindrücklichen Persönlichkeit. Aber kommen wir zum nächsten Lehrer. Und damit zu Eric, unserem Bibliothekar aus den USA. Ich erlebe ihn als ruhigen Zeitgenossen, der mit wachen Augen über den Campus geht und einen beeindruckenden Umgang mit den Kindern hat. Im Gegensatz zu den meisten anderen Lehrkräften, sieht Eric alle Klassen jeweils nur ein Mal pro Woche. Wenn sie für ihren Unterricht zu ihm in die Bibliothek kommen. Wie praktisch alle internationalen Lehrer hat auch Eric bereits an anderen Schulen und in anderen Entwicklungsländern gearbeitet. So war er bereits Lehrer in Phnom Penh und auf den Marschallinseln, einem Kleinstaat im Südpazifik, der im HDI (Human Development Index) nur weniger Plätze vor Kambodscha liegt. Ein Profi.
Auf meine Frage, warum er den Job bei uns angenommen hat, berichtet er davon, bei uns die Chance bekommen zu haben, als Bibliothekar eine kleine Bibliothek aufzubauen. Er spricht von der Faszination, unseren Kindern die englische Sprache und Literatur allgemein näher bringen zu können. Dabei leuchten seine Augen. Ich frage Eric, welche Herausforderungen er im Umgang mit unseren Kindern sieht. Darauf antwortet er:
«Die Kinder kommen aus dem Nichts. Sie mögen eine Familie haben, aber ansonsten fehlt ihnen praktisch alles. Es gibt nichts, auf dem man an Anfang aufbauen kann…»

«Im Vergleich zu den Stadtkindern sind unsere natürlich viel ärmer, aber bei genauer Betrachtung vielleicht gerade deswegen deutlich reicher. Weil sie alles anders wertschätzen können. Sie kommen mit einem Lächeln in die Schule und sind einfach unendlich dankbar für alles, was wir für sie tun.»

Wird fortgesetzt.